…Unterstützung brauchen alle
In der modernen Arbeitswelt gibt es viele Jobstrategien – eine davon ist die Selbstständigkeit. Selbst und ständig, das bedeutet einerseits Selbstbestimmung, Unabhängigkeit, Entscheidungsfreiheit, auf der anderen Seite jedoch auch unternehmerisches Risiko, Einkommensunsicherheit und meist auch weniger Freizeit und Urlaub. So erstrebenswert die eine Seite der Selbstständigkeit daherkommt, so angstbesetzt ist für viele die andere Seite. Ca. 4 Millionen Menschen bewegen sich in Deutschland in diesem Spannungsfeld. Allerdings wagen ca. doppelt so viele Männer (14 %) als Frauen (7%) den Sprung in dieses Feld.
Einer dieser Männer kommt zu mir in die Coachingpraxis. Herr Kaisers (Name geändert) Auftrag an mich, als Spiritueller MentalCoach: „Ich will mich als Graphik-Designer selbstständig machen, habe Angst vor dem Risiko und vermisse die Unterstützung meiner Frau. Wie kann ich meine Frau überzeugen, dass es der richtige Weg für mich ist, obwohl ich selbst so verunsichert bin? Wie kann ich sie dazu bringen, dass sie mir hilft, anstatt mich noch weiter durcheinander zu bringen?“
Viele Fragen und Wünsche auf einmal. In einem hat Herr Kaiser recht, der Weg in die Selbstständigkeit wird durch die Unterstützung von Familienmitgliedern erleichtert. Große Pläne lassen sich eher umsetzen, wenn ein Paar am gleichen Strang zieht. In der Selbstständigkeit neigt man dazu, sich selbst auszubeuten. Ein 14-Stunden Arbeitstag kann schnell zur Normalität werden und der Terminkalender zum Sklaventreiber. Wenn dann auch noch Probleme in der Partnerschaft entstehen, wird es doppelt schwer.
VERTIEFENDE FRAGEN KLÄREN DIE MOTIVATION
Doch an diesem Punkt ist mein Klient noch nicht. Er steht noch vor der schwierigsten Etappe, ganz am Anfang, wo Unsicherheit und Zweifel am Größten sind. Deshalb ist es wichtig, dass er sich seiner Motive für den Schritt in die Selbstständigkeit bewusst wird. Im Coaching klären wir diese mit entsprechenden Fragen:
Was treibt Sie an? Welche Werte und Ziele haben Sie? Welche Gründe sprechen für eine Existenzgründung? Gibt es Gründe, die dagegen sprechen, bzw. Menschen, die Ihnen Knüppel zwischen die Füße werfen können oder werden? Wer unterstützt Sie in diesem Vorhaben? Auf welches Potenzial können Sie zurückgreifen? Was werden Sie als Selbstständiger alles aufgeben müssen und sind Sie dazu bereit? Was erhoffen Sie sich durch diesen Schritt zu gewinnen? Wie können Sie damit umgehen, auf sich alleine gestellt zu sein, evtl. finanzielle Durststrecken überwinden zu müssen, keinen geregelten Feierabend zu haben, keinen Urlaubsanspruch und kein bezahltes Kranksein dürfen? Wie sieht Ihre Partnerin Ihr Unterfangen?
In den Coachinggesprächen wird meinem Klienten klar, dass seine Hauptmotivation der Frust im Angestelltenverhältnis ist. Trotzig möchte er seinem Chef beweisen, dass er der bessere Geschäftsführer sein kann. Nachdem er sich dies selbstehrlich eingestanden hat, ist er in der Lage, seine Situation realistischer einzuschätzen. Trotzdem will er die Herausforderung angehen, möchte aber gerne auf die Unterstützung seiner Partnerin zurückgreifen können. Diese ist Sekretärin und könnte seiner Meinung nach stundenweise den administrativen Teil der zu gründenden Firma übernehmen. Aus diesem Wunsch ergeben sich neuerliche Punkte, die es anzuschauen gilt.
WAS BEDEUTET DIE VERMISCHUNG VON PRIVATLEBEN ...
…und Geschäft für die Paarbeziehung?
Nun sind beide Eheleute bei mir und die Fragen kreisen um folgende Themen:
- Was geschieht, wenn Frau Kaiser ihrem Mann hilft?
- Wie trennen sie Geschäft und Privatleben voneinander, bzw. wie verbinden sie die zwei Bereiche?
- Wie stark ist das emotionale Band zwischen den beiden?
- Sind sie eher ausgeprägte Individualisten, die sich alleine profilieren möchten, oder besteht mehr die Bereitschaft, immer wieder an der Partnerschaft zu arbeiten?
- Können sie offen und ehrlich über alles miteinander sprechen?
- Haben sie ein gemeinsames Ziel, was die zu gründende Firma anbelangt?
- Gibt es eine zumindest ähnliche Lebens- und Unternehmensphilosophie?
- Können sich beide damit identifizieren?
- Wie soll die Paarbeziehung in der Selbstständigkeit gestaltet und gelebt werden? Zum Beispiel durch Paarabende, freie gemeinsame Wochenenden, fix eingeplante gemeinsame Urlaube, etc.
Es ist eine dauernde Herausforderung für ein Paar, berufliche und private Zeiten zu entflechten. Das Risiko, dass die Nähe zu viel wird und man sich gegebenenfalls auf die Nerven geht, ist groß. Doch gleichzeitig birgt die gemeinsame Arbeit auch ein verbindendes Element. Man zieht am gleichen Strang.
Bei diesen Gesprächen stellt sich heraus, dass Frau Kaiser genau diese Fragen schon lange unter den Nägeln brennen. Doch sie hatte nicht den Mut gefunden, sie ihrem Mann zu stellen, weil sie nicht als Bremsklotz und Negativdenkerin abgestempelt werden wollte. Gerne will sie ihn unterstützen. Doch nicht um jeden Preis. Vor allem nicht um den Preis der Partnerschaft, um die sie fürchtet.
SELBSTSTÄNDIGKEIT SCHAFFT FREIHEITEN, ABER AUCH...
…Lasten und Pflichten.
Sich im Vorfeld bewusst zu machen, welche Vor- und auch welche Nachteile eine Selbstständigkeit mit sich bringen, ist ein Grundpfeiler für späteren Erfolg. Während unserer Gespräche wird meinem Klienten klar, dass die Freiheiten die Nachteile überwiegen. Vor allem die Entscheidungsfreiheit, die freie Zeiteinteilung und die aussichtsreichen Verdienstmöglichkeiten sind ihm wichtig. Alle drei Aspekte fließen ineinander über. Herr Kaiser möchte autonom entscheiden, einen Kunden anzunehmen oder abzulehnen. Im Angestelltenverhältnis muss er die ihm übertragenen Arbeiten einfach erledigen, ob sie ihm passen, oder nicht. Wenn er die Arbeit nachts erledigen will, braucht er dies lediglich mit seiner Partnerin zu besprechen und die Höhe des Honorars bestimmt er selbst. Dafür ist er bereit, der Gefahr der Überforderung durch zu lange Arbeitszeiten und zu wenig Freizeit und Urlaub ins Auge zu blicken. Auch dass er bei Krankheit die Arbeit nicht einfach einem Kollegen überlassen kann, nimmt er in Kauf.
Am Ende unseres Coachings ist Herr Kaiser bereit, sich mit Unterstützung seiner Partnerin auf das Wagnis der Selbstständigkeit einzulassen. Frau Kaiser hat ihrem Mann erklärt, dass sie lediglich im ersten Jahr die Stütze an seiner Seite sein will. Danach möchte sie, dass neu besprochen wird, wie es weiter gehen soll. Zum Beispiel mit einer angestellten Kraft, die ihren Mann entsprechend entlastet. Für Herrn Kaiser ist dieser erste Schritt in Ordnung. Er freut sich, dass seine Frau nun hinter ihm steht und bereit ist, ihm zu helfen. Mit dieser Gewissheit ist er nun zu einer Entscheidung fähig und dem Projekt Selbstständigkeit steht nichts mehr im Wege.
Seit sieben Jahren gehört Herr Kaiser nun zu den 11 % der Deutschen, die das Risiko eines eigenen Unternehmens eingegangen sind. Seine Frau ist immer noch, mittlerweile hauptberuflich, im Unternehmen tätig. Zwei Freelancer unterstützen in Stoßzeiten das Ehepaar. Sein Fazit heute: „Man muss sich trauen, ein Wagnis einzugehen, doch sollte man dies nicht blauäugig tun, sondern mit klaren Antworten in sich. Zu diesen kommt man über entsprechende Fragen, gestellt z. B. durch einen Coach.