Persönlichkeit

Persönlichkeit

Persönlichkeit ist das, was bleibt, wenn man Ämter, Orden und Titel von einer Person abzieht. (Wolfgang Herbst)

Seit Bestehen der Menschheit beschäftigt diese Frage Gelehrte und Philosophen. Der Begriff der Persönlichkeit gehört wohl zu den umfangreichsten Begriffen der Psychologie überhaupt. Folglich ist es auch nicht verwunderlich, daß er sehr kontrovers diskutiert wird. Im Laufe der Geschichte wurden unterschiedliche Typologien und Theorien entwickelt, um diese Frage möglichst genau beantworten zu können.

Antike Typologie

Theophrast veröffentlichte im Jahre 314 v.Chr. die erste Persönlichkeitstypologie. Er teilte die Menschen in typische Charaktere auf. Einer dieser Charaktere ist der „Aufschneider“. Der Anfang seiner Persönlichkeitsbeschreibung lautet: „Aufschneiderei kann man ein Beanspruchen von Vorzügen nennen, die man in Wahrheit nicht besitzt. Der Aufschneider steht etwa am Kai und erzählt den Ausländern, er habe viel Geld auf dem Meer schwimmen. Dann macht er genaue Ausführungen über die Bedeutung des Seerisikos und wieviel er selbst schon verdient und verloren habe. Während er so den Mund voll nimmt, schickt er seinen Sklaven zur Bank. Auf seinem Konto hat er eine ganze Drachme …“

Wenn der Unterhaltungswert solcher Typologisierungen sicherlich groß ist, bleibt der wissenschaftliche Nutzen jedoch zweifelhaft.

Jahre vorher entwickelte Hippokrates (460 – 377 v. Chr.) – auch Vater der modernen Medizin genannt – seine „Temperamenten-Lehre“. Er glaubte, daß an Krankheiten ein pathologischer Zustand des Gehirns Schuld trage, der auf einem Ungleichgewicht der vier Säfte (gelbe Galle, schwarze Galle, Blut, Schleim) im Körper beruhe. Diesen vier Säften wurden unterschiedliche Temperamente zugeordnet:

  • Der Sanguiniker (lat.: sanguis = das Blut) – er ist kontaktfreudig und lebhaft und verfügt über schwache, schnell wechselnde, gelöste und nach außen gerichtete Seelenzustände.
  • Der Phlegmatiker (griech.: phlegma = Schleim) – er ist träge und schwerfällig und gekennzeichnet von schwachen, langsam wechselnden, gelösten aber nach innen gerichteten Seelenzuständen.
  • Der Choleriker (griech.: cholos = gelbe Galle) – er ist impulsiv und wechselhaft und zeichnet sich aus durch starke und schnell wechselnde, gespannte, mehr nach außen gerichtete Seelenzustände.
  • Der Melancholiker (griech.: melas cholos = schwarze Galle) – er ist traurig und grüblerisch und verfügt über starke, langsam wechselnde, gespannte, mehr nach innen gerichtete Seelenzustände.

Neuzeitlich Typologie

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts setzte geradezu ein Boom an Typologien ein. So entwickelte Rohrschach eine Erlebnistypologie, bei der Faktoren, wie introvertiert/ extravertiert eine Rolle spielten. 

Jaensch prägte den Begriff der Anschauungstypen (ganzheitlich, einzelheitlich).

Pfahler unterteilte nach Grundfunktionstypen (Aufmerksamkeit, Aktivität, Lust-Unlust, etc.).

Dilthey wiederum nach Weltanschauungstypen (Materialismus, Idealismus, etc.).

Jung teilte ein in Funktionstypen (Denk-, Empfindungs-, Intuitions-, und Fühltypus).

Ein heute noch bekanntes System zur Einordnung der Persönlichkeit entwickelte Kretschmer. Der Tübinger Psychiater (1888-1964) unterschied in seiner Konstitutionstypologie anhand des Körperbaus in folgende Haupttypen:

  • Der Pykniker ist kräftig, breit gewachsen, rundlich-gedrungen, relativ klein mit stumpfen Körperwinkeln sowie Neigung zur Stammfettsucht und Glatzenbildung. Er korreliert mit dem zyklothymen Temperament und tendierte bei psychopathologischen Krankheitsbild zu manisch-depressiven Psychosen.
  • Der Leptosom ist mager, schmal, aufgeschossen, scharf profiliert mit spitzen Körperwinkeln und dichtem Haar. Er korreliert mit dem schizothymen Temperament und tendiert bei krankhafter psychischer Entwicklung zu schizophrenen Psychosen.
  • Der Athlet verfügt über breit ausladende Schultern, ist kräftig, hat ein betontes Muskelrelief, einen straffen Bauch und ein relativ schmales Becken. Er korreliert mit dem viskösen und eleptoiden Temperament. Seine psychopathologische Ausprägung ist die Epilepsie.
  • Der Dysplastiker kennzeichnet den sogenannten Mischtyp, der weitaus am häufigsten vorkommt.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fand ein Wechsel von eher philosophisch orientierten Klassifizierungssystemen zu eigenschaftszentrierten Persönlichkeitstheorien statt. So stellten zwei amerikanische Psychologen, Allport und Odbert, ein Lexikon mit 4504 Persönlichkeitseigenschaften zusammen. 

Natürlich ist jeder Mensch in seinem Eigenschaftsspektrum sehr komplex. Es gibt keinen „einfachen Menschen“. Andererseits kann man nicht endlos analysieren. So mündete die neuzeitliche Persönlichkeitsforschung in unterschiedlichen psychologischen Testverfahren, die für die klinische Anwendung über ein genügendes Maß an Komplexität verfügen und trotzdem noch in der Praxis anwendbar sind. Diese Verfahren spielen heutzutage in der diagnostischen Beurteilung von Persönlichkeitsstörungen eine große Rolle (® 7.1.2 Allgemeine Diagnostik).

Die unterschiedlichen Theorien und Weltanschauungen, die eine klare und eindeutige Definition des Begriffs der Persönlichkeit unmöglich machen, erzwingen nahezu eine umgangssprachliche Definition. Demnach kann Persönlichkeit definiert werden als „die Summe der Eigenschaften, die dem einzelnen Menschen seine charakteristische, unverwechselbare Individualität verleiht.“

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